Wie wirkt sich die Pandemie auf die Lebens- und Arbeitsrealität von jungen Menschen aus? Die junge Generation fühlt sich in der Corona-Krise nicht gehört, beteiligt und von der Politik im Stich gelassen. Unklar war bis jetzt, wie es den jungen Menschen geht, was sie von der Politik erwarten und wie sich die Klima- und Corona-Krise in ihrer Werteeinstellung spiegelt. Die repräsentative „Studie Junge Deutsche 2021“ bietet ein differenziertes Bild über die Lage und Bedürfnisse der jungen Deutschen. Zudem liefert die Studie Arbeitgebern, Politik und Eltern konkrete Tipps für den Umgang mit der „Generation Reset“.

Die vermeintlich gute Nachricht der geringen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland von 5,6% (Statista, 2021) trügt. Für 29% der jungen Menschen hat sich die finanzielle Situation und ihre Perspektive für die Zukunft verschlechtert. Die Generation Z (14- bis 24-Jährige) ist von den Auswirkungen der Krise besonders betroffen: Für 37% hat sich die schulisch-berufliche Situation verschlechtert. Fast jede:r Vierte ist unzufrieden mit seiner/ihrer psychisch-seelischen Gesundheit.

Jung sein im Jahr 2021 fühlt sich an, wie Mensch-ärgere-dich-nicht spielen: Man weiß nie, wie weit man kommt, bevor es wieder heißt „Zurück zum Anfang“. Junge Leute bleiben zuhause, anstatt mit Freund:innen Spaß zu haben. Sie fallen in ein Karriereloch anstatt durchzustarten und ziehen bei Mutti ein anstatt Familie zu planen. Kaum wird der Lockdown gelockert und etwas Freiheit liegt in der Luft, drückt wieder jemand auf Reset. Die umfassenden sozialen, wirtschaftlichen und systemischen Einschnitte verändern die Lebenswelt und Biographien der jungen Generation grundlegend und nachhaltig. Aus diesem Grund sieht der Studienautor Simon Schnetzer einen neuen Generationenbegriff gerechtfertigt: Generation Reset.

Zusammenhalt in der Familie (69%) ist das, was für die jungen Deutschen das Leben am meisten prägt. Familie erlebt in dieser Zeit eine regelrechte Renaissance – freiwillig oder unfreiwillig. Die Frage danach, was in Zeiten der Krise jungen Menschen Halt bietet, beantwortet die überwiegende Mehrheit mit Familie. Diese bietet soziale Kontakte, Struktur im Alltag und finanziellen Schutz.

Der Trend- und Jugendforscher Simon Schnetzer erwartet, dass „Vertrauen“ das Megathema der Zukunft wird. Die Herausforderung wird es sein, Vertrauen wieder aufzubauen: zu Freunden, in Teams, zu Politiker:innen und in die Zukunft. Damit junge Menschen Vertrauen in die Zukunft fassen, benötigen sie eine Perspektive. Dies gilt insbesondere in der Phase der Übergänge wie beispielsweise durch eine Arbeitsstelle, ein ehrenamtliches Engagement oder ein Corona-Stipendium, um sich an der Bewältigung der Krise zu beteiligen.

Was bedeuten die Studienergebnisse für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft? Vor allem, dass sie den jungen Menschen mehr zuhören müssen, um sie nicht zu verlieren. Sie sollten ihre Bedürfnisse, Ängste und Forderungen ernst nehmen. Schließlich hängt von deren Start ins Berufsleben ab, in welchem Maß sie später zu den sozialen Systemen der Sicherung beitragen können. Fazit: Die junge Generation will als Zukunftsgestalter:innen eingebunden werden, um ihre Zukunft nicht dem Schicksal zu überlassen, sondern Teil der Lösung zu sein.

Die wichtigsten Studienergebnisse

Zufriedenheit

Die Stimmungslage der jungen Deutschen ist getrübt. 70% der Befragten sind zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Leben. Das sind 9% weniger als in der Zeit vor Corona (Studie 2019). Teilnehmer-Zitat: „Seit der Corona-Krise muss ich mir wieder die Frage stellen, wie es weitergeht und was mich glücklich macht im Leben.“

Einflüsse auf die Lebenssituation

Den größten Einfluss auf die aktuelle Lebenssituation hat für die Generation Z die Smartphone-Nutzung (77%) und für die Generation Y der Zusammenhalt in der Familie (68%). Der Stellenwert von Familie war bereits vor Corona sehr hoch – die Bedeutung der Smartphone-Nutzung hat seit dem Jahr 2019 um 20% zugelegt. Teilnehmer-Zitat: „Das Smartphone ist mein Draht zur Außenwelt. Es gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein.“

Werte

Die fünf wichtigsten Werte der jungen Deutschen sind Gesundheit (65%), Vertrauen (64%), Familie (63%), Gerechtigkeit und Freiheit (jeweils 57%). Ökologische Nachhaltigkeit kommt bei der Generation Y (26%) und Z (23%) nur auf einen der letzten Plätze. Die vermeintliche „Generation Greta“ hätte andere Ergebnisse vermuten lassen. Teilnehmer-Zitat: „Gesund sein bedeutet: Kein Corona haben.“

Motivation

Die beiden wichtigsten Motivatoren der jungen Generation sind Geld (43%) und Spaß (42%). Der Stellenwert von Geld ist seit der 2019er-Studie erheblich gestiegen (Spaß 50% und Geld 36%). Finanzielle Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, das in Zeiten der Krise die Lebenssituation stärker bestimmt. Teilnehmer-Zitat: „Wer mit Anderen mithalten und angesehen sein will, braucht … Geld …“

Gute Arbeit

Was gute Arbeit ausmacht, hat sich durch die Corona-Pandemie kaum verändert: Die Top3-Aspekte guter Arbeit sind eine gute Arbeitsatmosphäre (62%), Sicherheit des Arbeitsplatzes (54%) und eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit (53%). Um einen passenden Job zu finden, vertraut die Generation Z auf Praktika und persönliche Empfehlungen, während die Generation Y auf Job-Portale setzt.

Corona

Die große Mehrheit der jungen Generation verhält sich in der Corona-Pandemie solidarisch, indem sie sich an die AHA-Regeln halten (73%), auf Familie und Freunden Rücksicht nehmen (72%) und auf Feiern oder Partys verzichten (66%). Es ist alarmierend, dass sich für etwa 30% der jungen Deutschen die finanzielle und berufliche Situation verschlechtert hat – bei der Generation Z sind die Werte noch höher. Teilnehmer-Zitat: „Finanziell ist die Lage ohne Nebenjob echt hart. Ich kann nur hoffen, dass meine Eltern ihre Jobs behalten.“

Nachhaltigkeit

Obwohl es für 73% der Befragten wichtig ist, einen persönlichen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten, ist eine nachhaltige Lebensweise nur für 46% prägend. Unter den Top3-Beiträgen für Umwelt- und Klimaschutz rangieren Müllvermeidung und -trennung, Einkauf von regionalen und Bio-Produkten sowie nachhaltige Mobilität. Teilnehmer-Zitat: „Ich werde dauernd gefragt, wie es beruflich läuft oder in der Liebe. Niemand fragt, ob ich ökologisch gut lebe.“

Vertrauen

In der Zeit nach der Corona-Krise wird das Wiederaufbauen von Vertrauen zum Megathema. Die wichtigsten Aspekte, um anderen Menschen zu vertrauen, sind aus Sicht der jungen Deutschen Ehrlichkeit (64%), Zuverlässigkeit (44%), gegenseitiges Vertrauen (39%). Die wichtigsten Schritte, um Vertrauen aufzubauen, sind offen und ehrlich zu kommunizieren (66%) und zuhören, wenn man gebraucht wird (63%).

Erwartungen an die Politik

Die Wünsche junger Menschen für die Zukunft haben sich kaum verändert: Gesundheit und Zufriedenheit, Familie und Kinder, Partnerschaft und Liebe sowie Geld und Karriere. Für die Bundestagswahlen im Herbst 2021 hat die junge Generation klare inhaltliche Erwartungen: Mehr Beteiligung, das Bildungswesen reformieren, Breitbandausbau, entschlosseneres Vorgehen beim Klimaschutz, gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und das Wirtschaftssystem sozialer und ökologischer auszurichten.

Methodik der Studie

Die Studie „Junge Deutsche 2021“ basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter von 14 bis 39 Jahren – Generation Z und Y. Insgesamt wurden für die Studie 1.602 junge Menschen befragt. Inhaltlich und methodisch wird die Studie von Prof. Dr. phil. Dagmar Hoffmann (Universität Siegen) und Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Hurrelmann (Hertie School) beraten. Die Quotierungen für die Repräsentativität wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach erstellt. Die Befragung wurde vom 15. Oktober bis 16. November 2020 von der Respondi AG durchgeführt.

Die Studie kann für 39 Euro zzgl. MwSt. hier erworben werden:

Informationen über die Studie: https://jungedeutsche.de/junge-deutsche-2021/

Videopodcast-Tipp:

Im Rahmen des 15jährigen Bestehens des „Kompetenzzentrums Berufliche Orientierung“ sprechen wir mit dem Autor der Studie, dem Trend- und Jugendforscher Simon Schnetzer. Vorab wird Gregor Nachtwey, Leiter der Kommunalen Koordinierung in Düsseldorf, in die Gründungsgeschichte des Kompetenzzentrums einführen und die Erfolgskriterien des „Düsseldorfer Modells“ erläutern.

Wir freuen uns, wenn Sie mit dabei sind. Die Sendung sehen Sie am

11. Mai 2021 ab 19:00 Uhr im Netz unter www.kompetenzzentrum-duesseldorf.de. Nach der Erstausstrahlung können Sie sich den Stream noch 21 Tage rund um die Uhr anschauen.

Simon Schnetzer ist 1979 in Kempten im Allgäu geboren. Der studierte Volkswirt hat sich nach beruflichen Stationen in Berlin, Genf, London und Nairobi in seiner Heimat als Jugendforscher, Speaker und Trainer selbständig gemacht. Seit 2010 veröffentlicht er die Studie “Junge Deutsche”, um die Veränderung der Lebens- und Arbeitswelten zu erforschen und zu gestalten. Heute zählt er zu den Top-Speakern und Führungskräftetrainern für die Generation Y und Generation Z. Außerdem engagiert Simon Schnetzer sich für die Gründerszene im Allgäu und betreibt die preisgekrönte Gründervilla, um Menschen mit Ideen eine Bühne und Machern eine Heimat zu bieten. Simon Schnetzer ist verheiratet und lebt mit seiner Familie im Allgäu.

Dies ist die erste Folge von insgesamt vier Sendungen zum 15jährigen Bestehen des „Kompetenzzentrums Berufliche Orientierung“. Die Termine der kommenden Folgen teilen wir Ihnen rechtzeitig mit.

Das Kompetenzzentrum ist ein Joint Venture der Stiftung PRO Ausbildung, eine Initiative des Arbeitgeberverbandes „düsseldorfmetall“, und der Landeshauptstadt Düsseldorf, namentlich der Kommunalen Koordinierung. Insofern ist dieses erfolgreiche Modell tatsächlich einmalig in NRW. Gute Beispiele der Berufliche Orientierung werden gestaltet und koordiniert und vom Team direkt live umgesetzt. Partner des Kompetenzzentrums sind die Agentur für Arbeit Düsseldorf sowie die Akteure der Wirtschaft: IHK, Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft.