An unseren Schulen in NRW, aber auch in den meisten anderen Bundesländern, fehlen jede Menge Lehrkräfte, deshalb haben jetzt alle Menschen die besten Chancen ever, eine Stelle zu bekommen – auch Seiten- und Quereinsteiger sind heiß begehrt und werden in den allermeisten Fällen sofort genommen. In NRW sind bislang noch rund 6.000 Stellen unbesetzt. Man spricht sogar von rund 8.000 offenen Planstellen. Der Lehrermangel könnte sich sogar noch weiter verschärfen. Einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge fehlen den Grundschulen bis 2025 rund 35.000 Lehrkräfte.
Die SPD-Opposition warf der schwarz-gelben Landesregierung kürzlich Tatenlosigkeit vor. In vielen Stadtteilen und Schulformen sei der Unterrichtsausfall längst nicht mehr hinnehmbar. Allerdings gab es in Zeiten einer SPD-Landesregierung auch kaum Impulse, damit junge Menschen ein Lehramtsstudium hätten beginnen wollen.
Inzwischen ist in NRW jeder 7. Lehrer ein Quer- bzw- Seiteneinsteiger. Pädagogische Grundlagen sollen die „neuen Lehrer“ berufsbegleitend erhalten. Das klappt aber nicht immer oder nur verzögert. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf. Eine neue Strategie ist Pädagogen aus der EU und Drittstaaten, demzufolge auch Flüchtlinge, als Lehrer einzustellen. An den Universitäten Bielefeld und Bochum laufen bereits Programme, um geflüchtete Lehrkräfte auf den deutschen Schulunterricht vorzubereiten.
Zuviele unqualifizierte Seiten- und Quereinsteiger können aber den Schulen das Leben auch erschweren. Mehr als die Hälfte der Schulleiter in NRW gab unlängst in einer Befragung an, bei ihnen seien Seiteneinsteiger ohne Lehramtsqualifikation beschäftigt. Das ist ein Ausreißer gegenüber dem Bundeswert, der mit 45 Prozent 13 Punkte niedriger liegt, und eine Zunahme gegenüber der NRW-Quote des Vorjahres von 53 auf 58 Prozent. VBE-Landeschef Stefan Behlau (Verband Bildung und Erziehung) nannte den Befund erschreckend. „Die offenen Stellen im Schnellverfahren zu besetzen, ist keine Lösung.“ Nur an jeder vierten Schule in NRW (Bund: 31 Prozent), an der Seiteneinsteiger beschäftigt sind, hatten diese vor ihrem ersten Unterricht eine systematische, pädagogische Vorqualifizierung.
Am Ende des Tages kann man sowieso keine Lehrer einstellen, die es nicht gibt. Die Politik müsste eigentlich dafür sorgen, dass mehr junge Menschen sich für diesen Beruf interessieren. Entspannte Arbeitszeiten, die Arbeit mit Kindern, eine bessere Verträglichkeit mit dem eigenen Familienleben und eine mögliche Verbeamtung sind Vorteile, die interessant sind. Darüber hinaus brauchen wir aber weitere Anreize, den Lehrerberuf attraktiver machten.
Gabriele Möller, im eigentlichen Beruf Journalistin, hat einen Selbstversuch gestartet und wurde als Seiteneinsteiger Lehrerin an einer Grundschule im Bergischen Land. Ihr Fazit: „Als ich mich an meinem letzten Tag verabschiede, hängen die Kinder wie eine Traube an mir. Es war eine schöne und intensive Zeit, auch wenn ich mir gewünscht hätte, vorher zumindest einen „Crash-Kurs im Lehrersein“ bekommen zu haben.“ Ihren Erfahrungsbericht finden Sie hier https://rp-online.de/nrw/panorama/lehrermangel-in-nrw-eine-journalistin-versucht-sich-als-seiteneinsteigerin_aid-36985663