Ich gebe es zu: Ich bin ein erklärter Fan des viergliedrigen Schulsystems – Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Förderschule. Und das sage ich nicht aus Ideologie, sondern aus Erfahrung. Als langjähriger Elternsprecher einer Gesamtschule habe ich die Herausforderungen des schulischen Alltags hautnah erlebt. Ich weiß um das Engagement vieler Lehrkräfte, ich kenne wunderbare Gesamtschulen, in denen Vielfalt wirklich gelebt wird. Und doch: Die Realität sieht oft anders aus.
Mein heutiger Beitrag richtet sich auf ein Thema, das aktuell viele Gemüter bewegt – und es sollte auch so sein. Die NRW-Landesregierung plant eine Änderung des Schulgesetzes, mit der eine bislang als Übergangsregel gedachte Ausnahme dauerhaft festgeschrieben werden soll: Realschulen dürfen künftig einen Hauptschulbildungsgang einrichten – nicht nur ab Klasse 7, sondern neu auch schon ab Klasse 5. Voraussetzung ist, dass es im Umfeld keine Haupt- oder Gesamtschule mehr gibt.
Was auf den ersten Blick nach Flexibilität und Pragmatismus klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein weiteres Kapitel in der schleichenden Erosion unseres differenzierten Schulsystems.
Denn: Wer einmal zulässt, dass Realschulen „bei Bedarf“ zur Kombischule werden, wird bald feststellen, dass dieser Bedarf überall gesehen wird. Und zwar nicht, weil es pädagogisch sinnvoll wäre – sondern weil viele Hauptschulen durch rückläufige Anmeldezahlen in ihrer Existenz gefährdet sind. Städte und Gemeinden stehen unter Druck, Schulstandorte wirtschaftlich zu organisieren. Eine Schule für alles klingt da zunächst verlockend. Aber: Funktioniert das auch?
Ich meine: nein. Ich habe es selbst erlebt, mit meinem eigenen Kind. Die Idee: Eine Klasse, in der starke und schwächere Kinder voneinander lernen. Gelebte Inklusion. Das Ergebnis: Die Schwachen wurden schwächer, weil ihnen die gezielte Förderung fehlte. Die Starken wurden ebenfalls schwächer, weil sie unterfordert blieben. Am Ende wurde niemand mehr richtig gefordert oder gefördert. Die Klasse funktionierte nicht – trotz aller Bemühungen.
Und genau das droht jetzt auch bei der geplanten Öffnung der Realschulen. Denn was bedeutet „binnendifferenzierter Unterricht“ in der Praxis? Er bedeutet: ein und dieselbe Klasse, aber mehrere Bildungsgänge. Alle sitzen zusammen im Raum, arbeiten jedoch nach unterschiedlichen Lehrplänen und mit verschiedenen Lernzielen. Was sich nach Vielfalt anhört, bedeutet in der Realität vor allem: eine enorme Belastung für Lehrkräfte – und eine Überforderung für viele Schülerinnen und Schüler.
Was hier entsteht, ist de facto eine integrierte Schulform durch die Hintertür – ohne die entsprechende personelle und konzeptionelle Ausstattung. Ohne Reform, aber mit Reformfolgen.
Das Bildungsministerium wehrt ab. Man wolle nicht die Hauptschulen abschaffen, heißt es. Kommunen seien verpflichtet, diese weiterzuführen – solange ein „Bedarf“ bestehe. Aber wer definiert diesen Bedarf? Wenn Anmeldezahlen sinken, wenn Eltern auf andere Schulformen ausweichen, wenn Standorte auslaufen, dann verschwindet dieser Bedarf schneller, als man „Bildungsgerechtigkeit“ sagen kann.
Was wir brauchen, ist nicht das Aufweichen von Schulformen, sondern ihre Stärkung. Wir brauchen eine klare und ehrliche Diskussion darüber, wie wir jedem Kind den bestmöglichen Bildungsweg eröffnen – ohne es in ein System zu zwingen, das pädagogisch überfordert ist. Eine gute Hauptschule ist keine Schule zweiter Klasse. Eine starke Realschule ist kein Ort für Kompromisse. Und eine funktionierende Gesamtschule braucht mehr als schöne Konzepte – sie braucht Ressourcen, Mut zur Differenzierung und vor allem: Zeit für die Kinder.
Wir sollten aufhören, Bildungspolitik mit dem Rotstift zu machen. Sonst haben wir bald nur noch Schulformen auf dem Papier – und Bildungsrealität, die niemandem mehr gerecht wird.
https://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.png00Christoph Socharthttps://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.pngChristoph Sochart2025-04-14 07:29:262025-04-14 07:31:42Eine Schule für alles – oder eine Schule für niemanden?
Während die große Politik noch über Koalitionsverträge verhandelt, liegt der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes längst auf dem Tisch – oder besser gesagt: im Klassenzimmer, in der Kita, in der Hochschule und im Ausbildungsbetrieb. Die neue Sonderanalyse der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) bringt es auf den Punkt: Bildungspolitik ist Wirtschaftspolitik. Und sie ist der stärkste Hebel gegen Fachkräftemangel, Innovationsschwäche und die Folgen des demografischen Wandels.
Die Studie, durchgeführt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zeigt eindrücklich: Wenn wir Bildung weiterhin als isolierte Aufgabe betrachten – losgelöst von den großen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen – riskieren wir eine Verschärfung zentraler Probleme. Wenn wir Bildung aber als integrierten Bestandteil einer modernen Wachstumspolitik begreifen, eröffnet sich ein enormes Potenzial für wirtschaftliche Stabilität, soziale Teilhabe und innovative Stärke.
Die Fakten: Deutschland verliert an Bildungskraft
Aktuelle Schulleistungsstudien wie PISA und der IQB-Bildungstrend belegen: Die Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler nehmen ab. Besonders problematisch ist dabei, dass soziale Herkunft und Bildungserfolg wieder enger miteinander verknüpft sind – mit fatalen Folgen für Kinder aus bildungsfernen Haushalten und mit Migrationshintergrund. Schlechte Deutschkenntnisse, fehlende individuelle Förderung und mangelnde strukturelle Unterstützung verhindern, dass Talente entdeckt und gefördert werden.
Bildung ist kein Kostenfaktor – sie ist ein Investment
Die Analyse zeigt deutlich: Investitionen in frühkindliche Bildung, gezielte Förderung benachteiligter Kinder und Jugendliche sowie die Integration internationaler Studierender bringen nicht nur gesellschaftlichen, sondern auch finanziellen Gewinn. So könnte etwa das Startchancen-Programm, das besonders förderbedürftige Schulen unterstützt, bei einer erfolgreichen Ausweitung langfristig bis zu 92 Milliarden Euro an Mehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte bringen.
Ebenso zeigt sich: Die gezielte Zuwanderung über Hochschulen ist ein unterschätzter Wachstumsmotor. Internationale Studierende, die in Deutschland bleiben, zahlen sich aus – sowohl volkswirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Die Zahlen sprechen für sich: 7 bis 26 Milliarden Euro an Nettoerträgen durch zusätzliche Hochschulabsolvent:innen aus dem Ausland. Und das bei einer schnellen Amortisation der Investitionen.
Was jetzt zu tun ist
Frühkindliche Bildung massiv ausbauen – denn hier entstehen die Grundkompetenzen, die später über Bildungserfolg und Berufschancen entscheiden.
Schulen gezielt fördern, in denen besonders viele Kinder zusätzliche Unterstützung brauchen – mit Ganztagsangeboten, Sprachförderung und individueller Begleitung.
Internationale Talente willkommen heißen, indem wir Hochschulzugänge erleichtern und Perspektiven für den Verbleib in Deutschland schaffen.
Unser Fazit
Wer heute Bildung vernachlässigt, spart am falschen Ende – und riskiert unsere wirtschaftliche Zukunft. Wer Bildung dagegen als integralen Bestandteil der Wachstums-, Fachkräfte- und Innovationsstrategie denkt, investiert in Stabilität, Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit. Die neue Bundesregierung – egal in welcher Konstellation – wird an der Bildungspolitik gemessen werden. Es ist höchste Zeit, dass sie Chefsache wird.
https://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.png00Christoph Socharthttps://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.pngChristoph Sochart2025-04-09 12:58:562025-04-09 13:04:05Bildungspolitik ist die neue Wachstumspolitik – Warum wir jetzt handeln müssen
Düsseldorf, das Rheinland und Nordrhein-Westfalen stehen – wie viele andere Regionen in Deutschland – vor enormen Herausforderungen im Bereich der Fachkräftesicherung. In Zeiten, in denen der demografische Wandel, die Digitalisierung und strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft massiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt nehmen, ist es ein kluger und notwendiger Schritt, mit Programmen wie „Ausbildungswege NRW“ aktiv gegenzusteuern. Das landesweite Ausbildungsprogramm, gefördert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen, hat sich dabei längst als tragende Säule der Fachkräfteoffensive NRW etabliert.
Im Zentrum des Programms steht eine klare Vision: junge Menschen frühzeitig, individuell und passgenau in berufliche Ausbildung zu begleiten und ihnen eine echte Perspektive zu bieten. Es geht um mehr als nur Berufsorientierung oder Vermittlung – es geht um Begleitung auf Augenhöhe, um nachhaltige Integration in die Arbeitswelt und darum, gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Wege zu finden. Das flächendeckende Coaching durch erfahrene Fachkräfte – die sogenannten Coaches und Übergangslotsen – ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Sie nehmen sich Zeit, erkennen Potenziale, bauen Brücken und helfen, wenn es hakt. Gerade in einer Lebensphase, in der viele Jugendliche Orientierung und Unterstützung brauchen, sind diese persönlichen Ansprechpersonen unverzichtbar.
Besonders hervorzuheben ist die vermutlich kluge Entscheidung der Landesregierung, die beiden erfolgreichen Programme „Ausbildungswege NRW“ und „Übergangslotsen“ zu bündeln und bis mindestens 2027 zu verlängern. Die Zusammenführung stärkt Synergien, vermeidet Dopplungen und schafft ein einheitliches, schlagkräftiges Angebot. Mit insgesamt 240 Coaches an 30 qualifizierten Bildungsträgern wird ein dichter Unterstützungsnetzwerk über das ganze Land gespannt – und das mit einem klaren Ziel: kein junger Mensch soll auf dem Weg in die Ausbildung verloren gehen. Auch Betriebe profitieren: Sie erhalten direkte Unterstützung bei der Suche nach passenden Auszubildenden und können sich sicher sein, dass die jungen Menschen nicht nur vermittelt, sondern auch begleitet werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Programms sind die 270 trägergestützten Ausbildungsplätze. Diese schaffen zusätzliche Chancen für Jugendliche, die es auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer haben – sei es aufgrund von schulischen Defiziten, sprachlichen Barrieren oder persönlichen Herausforderungen. Hier zeigt sich der soziale Mehrwert des Programms: es geht nicht nur um ökonomische Fachkräftesicherung, sondern auch um Teilhabe, Chancengleichheit und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten.
Dass Berufskollegs und Bildungsträger (in Düsseldorf und dem Kreis Mettmann betreuen die AWO, die Kreishandwerkerschaft und die lokale IHK) in enger Kooperation mit Jobcentern, Agenturen und Unternehmen zusammenarbeiten, ist ein starkes Signal für ein gemeinsames Verständnis von Bildungsauftrag. Schule, Arbeitsverwaltung und Wirtschaft ziehen an einem Strang – genau so funktioniert gelingende Übergangsgestaltung. Besonders im Übergangssektor – also bei den Schülerinnen und Schülern der Ausbildungsvorbereitung und der Berufsfachschulen – wird deutlich, wie wichtig diese Lotsenfunktion ist. Wer früh abgeholt, ernst genommen und unterstützt wird, findet deutlich wahrscheinlicher seinen Weg in eine Ausbildung.
Das Programm spricht aber nicht nur die Jugendlichen an. Auch Unternehmen, die dringend nach Nachwuchskräften suchen, können über die Bildungsträger und Berufskollegs direkte Kontakte knüpfen, Praktikumsplätze anbieten und Ausbildungsplätze besetzen. Diese unkomplizierte und koordinierte Zusammenarbeit ist ein enormer Vorteil – gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Personalabteilung haben, aber dringend junge Talente brauchen.
„Ausbildungswege NRW“ zeigt, dass gute Berufsbildungspolitik nicht bei der Vermittlung endet. Sie beginnt bei der Orientierung, begleitet durch die Ausbildung und sorgt idealerweise für eine langfristige berufliche Integration. Das Landesprogramm setzt damit Maßstäbe, nicht nur in NRW, sondern auch darüber hinaus. Es vereint soziale Verantwortung mit ökonomischer Notwendigkeit – und macht daraus eine Erfolgsgeschichte.
Die Fachkräfteoffensive NRW ist hoffentlich mehr als nur ein politisches Schlagwort. Sie will gelebte Praxis sein – mit Herz, Verstand und einem klaren Ziel: junge Menschen in Ausbildung bringen, sie dort halten und für die Zukunft unserer Wirtschaft stark machen. Dass Land und EU hier gemeinsam investieren, ist nicht nur klug, sondern dringend notwendig. Denn Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Man muss sie ausbilden, begleiten und ihnen Perspektiven geben. Genau das tut dieses Programm – Tag für Tag, in jeder Region unseres Landes.
https://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.png00Christoph Socharthttps://kompetenzzentrum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2019/04/Logo-1030x312.pngChristoph Sochart2025-04-07 12:35:592025-04-07 12:35:59Fachkräfteoffensive NRW: Landesweites Ausbildungsprogramm will die berufliche Ausbildung stärken – hoffentlich bleibt es nicht bei einem frommen Wunsch
Eine Schule für alles – oder eine Schule für niemanden?
NewsIch gebe es zu: Ich bin ein erklärter Fan des viergliedrigen Schulsystems – Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Förderschule. Und das sage ich nicht aus Ideologie, sondern aus Erfahrung. Als langjähriger Elternsprecher einer Gesamtschule habe ich die Herausforderungen des schulischen Alltags hautnah erlebt. Ich weiß um das Engagement vieler Lehrkräfte, ich kenne wunderbare Gesamtschulen, in denen Vielfalt wirklich gelebt wird. Und doch: Die Realität sieht oft anders aus.
Mein heutiger Beitrag richtet sich auf ein Thema, das aktuell viele Gemüter bewegt – und es sollte auch so sein. Die NRW-Landesregierung plant eine Änderung des Schulgesetzes, mit der eine bislang als Übergangsregel gedachte Ausnahme dauerhaft festgeschrieben werden soll: Realschulen dürfen künftig einen Hauptschulbildungsgang einrichten – nicht nur ab Klasse 7, sondern neu auch schon ab Klasse 5. Voraussetzung ist, dass es im Umfeld keine Haupt- oder Gesamtschule mehr gibt.
Was auf den ersten Blick nach Flexibilität und Pragmatismus klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein weiteres Kapitel in der schleichenden Erosion unseres differenzierten Schulsystems.
Denn: Wer einmal zulässt, dass Realschulen „bei Bedarf“ zur Kombischule werden, wird bald feststellen, dass dieser Bedarf überall gesehen wird. Und zwar nicht, weil es pädagogisch sinnvoll wäre – sondern weil viele Hauptschulen durch rückläufige Anmeldezahlen in ihrer Existenz gefährdet sind. Städte und Gemeinden stehen unter Druck, Schulstandorte wirtschaftlich zu organisieren. Eine Schule für alles klingt da zunächst verlockend. Aber: Funktioniert das auch?
Ich meine: nein. Ich habe es selbst erlebt, mit meinem eigenen Kind. Die Idee: Eine Klasse, in der starke und schwächere Kinder voneinander lernen. Gelebte Inklusion. Das Ergebnis: Die Schwachen wurden schwächer, weil ihnen die gezielte Förderung fehlte. Die Starken wurden ebenfalls schwächer, weil sie unterfordert blieben. Am Ende wurde niemand mehr richtig gefordert oder gefördert. Die Klasse funktionierte nicht – trotz aller Bemühungen.
Und genau das droht jetzt auch bei der geplanten Öffnung der Realschulen. Denn was bedeutet „binnendifferenzierter Unterricht“ in der Praxis? Er bedeutet: ein und dieselbe Klasse, aber mehrere Bildungsgänge. Alle sitzen zusammen im Raum, arbeiten jedoch nach unterschiedlichen Lehrplänen und mit verschiedenen Lernzielen. Was sich nach Vielfalt anhört, bedeutet in der Realität vor allem: eine enorme Belastung für Lehrkräfte – und eine Überforderung für viele Schülerinnen und Schüler.
Was hier entsteht, ist de facto eine integrierte Schulform durch die Hintertür – ohne die entsprechende personelle und konzeptionelle Ausstattung. Ohne Reform, aber mit Reformfolgen.
Das Bildungsministerium wehrt ab. Man wolle nicht die Hauptschulen abschaffen, heißt es. Kommunen seien verpflichtet, diese weiterzuführen – solange ein „Bedarf“ bestehe. Aber wer definiert diesen Bedarf? Wenn Anmeldezahlen sinken, wenn Eltern auf andere Schulformen ausweichen, wenn Standorte auslaufen, dann verschwindet dieser Bedarf schneller, als man „Bildungsgerechtigkeit“ sagen kann.
Was wir brauchen, ist nicht das Aufweichen von Schulformen, sondern ihre Stärkung. Wir brauchen eine klare und ehrliche Diskussion darüber, wie wir jedem Kind den bestmöglichen Bildungsweg eröffnen – ohne es in ein System zu zwingen, das pädagogisch überfordert ist. Eine gute Hauptschule ist keine Schule zweiter Klasse. Eine starke Realschule ist kein Ort für Kompromisse. Und eine funktionierende Gesamtschule braucht mehr als schöne Konzepte – sie braucht Ressourcen, Mut zur Differenzierung und vor allem: Zeit für die Kinder.
Wir sollten aufhören, Bildungspolitik mit dem Rotstift zu machen. Sonst haben wir bald nur noch Schulformen auf dem Papier – und Bildungsrealität, die niemandem mehr gerecht wird.
Bildungspolitik ist die neue Wachstumspolitik – Warum wir jetzt handeln müssen
NewsWährend die große Politik noch über Koalitionsverträge verhandelt, liegt der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes längst auf dem Tisch – oder besser gesagt: im Klassenzimmer, in der Kita, in der Hochschule und im Ausbildungsbetrieb. Die neue Sonderanalyse der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) bringt es auf den Punkt: Bildungspolitik ist Wirtschaftspolitik. Und sie ist der stärkste Hebel gegen Fachkräftemangel, Innovationsschwäche und die Folgen des demografischen Wandels.
Die Studie, durchgeführt vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), zeigt eindrücklich: Wenn wir Bildung weiterhin als isolierte Aufgabe betrachten – losgelöst von den großen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen – riskieren wir eine Verschärfung zentraler Probleme. Wenn wir Bildung aber als integrierten Bestandteil einer modernen Wachstumspolitik begreifen, eröffnet sich ein enormes Potenzial für wirtschaftliche Stabilität, soziale Teilhabe und innovative Stärke.
Die Fakten: Deutschland verliert an Bildungskraft
Aktuelle Schulleistungsstudien wie PISA und der IQB-Bildungstrend belegen: Die Kompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler nehmen ab. Besonders problematisch ist dabei, dass soziale Herkunft und Bildungserfolg wieder enger miteinander verknüpft sind – mit fatalen Folgen für Kinder aus bildungsfernen Haushalten und mit Migrationshintergrund. Schlechte Deutschkenntnisse, fehlende individuelle Förderung und mangelnde strukturelle Unterstützung verhindern, dass Talente entdeckt und gefördert werden.
Bildung ist kein Kostenfaktor – sie ist ein Investment
Die Analyse zeigt deutlich: Investitionen in frühkindliche Bildung, gezielte Förderung benachteiligter Kinder und Jugendliche sowie die Integration internationaler Studierender bringen nicht nur gesellschaftlichen, sondern auch finanziellen Gewinn. So könnte etwa das Startchancen-Programm, das besonders förderbedürftige Schulen unterstützt, bei einer erfolgreichen Ausweitung langfristig bis zu 92 Milliarden Euro an Mehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte bringen.
Ebenso zeigt sich: Die gezielte Zuwanderung über Hochschulen ist ein unterschätzter Wachstumsmotor. Internationale Studierende, die in Deutschland bleiben, zahlen sich aus – sowohl volkswirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Die Zahlen sprechen für sich: 7 bis 26 Milliarden Euro an Nettoerträgen durch zusätzliche Hochschulabsolvent:innen aus dem Ausland. Und das bei einer schnellen Amortisation der Investitionen.
Was jetzt zu tun ist
Frühkindliche Bildung massiv ausbauen – denn hier entstehen die Grundkompetenzen, die später über Bildungserfolg und Berufschancen entscheiden.
Schulen gezielt fördern, in denen besonders viele Kinder zusätzliche Unterstützung brauchen – mit Ganztagsangeboten, Sprachförderung und individueller Begleitung.
Internationale Talente willkommen heißen, indem wir Hochschulzugänge erleichtern und Perspektiven für den Verbleib in Deutschland schaffen.
Unser Fazit
Wer heute Bildung vernachlässigt, spart am falschen Ende – und riskiert unsere wirtschaftliche Zukunft. Wer Bildung dagegen als integralen Bestandteil der Wachstums-, Fachkräfte- und Innovationsstrategie denkt, investiert in Stabilität, Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit. Die neue Bundesregierung – egal in welcher Konstellation – wird an der Bildungspolitik gemessen werden. Es ist höchste Zeit, dass sie Chefsache wird.
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Fachkräfteoffensive NRW: Landesweites Ausbildungsprogramm will die berufliche Ausbildung stärken – hoffentlich bleibt es nicht bei einem frommen Wunsch
NewsDüsseldorf, das Rheinland und Nordrhein-Westfalen stehen – wie viele andere Regionen in Deutschland – vor enormen Herausforderungen im Bereich der Fachkräftesicherung. In Zeiten, in denen der demografische Wandel, die Digitalisierung und strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft massiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt nehmen, ist es ein kluger und notwendiger Schritt, mit Programmen wie „Ausbildungswege NRW“ aktiv gegenzusteuern. Das landesweite Ausbildungsprogramm, gefördert aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen, hat sich dabei längst als tragende Säule der Fachkräfteoffensive NRW etabliert.
Im Zentrum des Programms steht eine klare Vision: junge Menschen frühzeitig, individuell und passgenau in berufliche Ausbildung zu begleiten und ihnen eine echte Perspektive zu bieten. Es geht um mehr als nur Berufsorientierung oder Vermittlung – es geht um Begleitung auf Augenhöhe, um nachhaltige Integration in die Arbeitswelt und darum, gemeinsam mit den Jugendlichen individuelle Wege zu finden. Das flächendeckende Coaching durch erfahrene Fachkräfte – die sogenannten Coaches und Übergangslotsen – ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Sie nehmen sich Zeit, erkennen Potenziale, bauen Brücken und helfen, wenn es hakt. Gerade in einer Lebensphase, in der viele Jugendliche Orientierung und Unterstützung brauchen, sind diese persönlichen Ansprechpersonen unverzichtbar.
Besonders hervorzuheben ist die vermutlich kluge Entscheidung der Landesregierung, die beiden erfolgreichen Programme „Ausbildungswege NRW“ und „Übergangslotsen“ zu bündeln und bis mindestens 2027 zu verlängern. Die Zusammenführung stärkt Synergien, vermeidet Dopplungen und schafft ein einheitliches, schlagkräftiges Angebot. Mit insgesamt 240 Coaches an 30 qualifizierten Bildungsträgern wird ein dichter Unterstützungsnetzwerk über das ganze Land gespannt – und das mit einem klaren Ziel: kein junger Mensch soll auf dem Weg in die Ausbildung verloren gehen. Auch Betriebe profitieren: Sie erhalten direkte Unterstützung bei der Suche nach passenden Auszubildenden und können sich sicher sein, dass die jungen Menschen nicht nur vermittelt, sondern auch begleitet werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Programms sind die 270 trägergestützten Ausbildungsplätze. Diese schaffen zusätzliche Chancen für Jugendliche, die es auf dem ersten Arbeitsmarkt schwer haben – sei es aufgrund von schulischen Defiziten, sprachlichen Barrieren oder persönlichen Herausforderungen. Hier zeigt sich der soziale Mehrwert des Programms: es geht nicht nur um ökonomische Fachkräftesicherung, sondern auch um Teilhabe, Chancengleichheit und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten.
Dass Berufskollegs und Bildungsträger (in Düsseldorf und dem Kreis Mettmann betreuen die AWO, die Kreishandwerkerschaft und die lokale IHK) in enger Kooperation mit Jobcentern, Agenturen und Unternehmen zusammenarbeiten, ist ein starkes Signal für ein gemeinsames Verständnis von Bildungsauftrag. Schule, Arbeitsverwaltung und Wirtschaft ziehen an einem Strang – genau so funktioniert gelingende Übergangsgestaltung. Besonders im Übergangssektor – also bei den Schülerinnen und Schülern der Ausbildungsvorbereitung und der Berufsfachschulen – wird deutlich, wie wichtig diese Lotsenfunktion ist. Wer früh abgeholt, ernst genommen und unterstützt wird, findet deutlich wahrscheinlicher seinen Weg in eine Ausbildung.
Das Programm spricht aber nicht nur die Jugendlichen an. Auch Unternehmen, die dringend nach Nachwuchskräften suchen, können über die Bildungsträger und Berufskollegs direkte Kontakte knüpfen, Praktikumsplätze anbieten und Ausbildungsplätze besetzen. Diese unkomplizierte und koordinierte Zusammenarbeit ist ein enormer Vorteil – gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Personalabteilung haben, aber dringend junge Talente brauchen.
„Ausbildungswege NRW“ zeigt, dass gute Berufsbildungspolitik nicht bei der Vermittlung endet. Sie beginnt bei der Orientierung, begleitet durch die Ausbildung und sorgt idealerweise für eine langfristige berufliche Integration. Das Landesprogramm setzt damit Maßstäbe, nicht nur in NRW, sondern auch darüber hinaus. Es vereint soziale Verantwortung mit ökonomischer Notwendigkeit – und macht daraus eine Erfolgsgeschichte.
Die Fachkräfteoffensive NRW ist hoffentlich mehr als nur ein politisches Schlagwort. Sie will gelebte Praxis sein – mit Herz, Verstand und einem klaren Ziel: junge Menschen in Ausbildung bringen, sie dort halten und für die Zukunft unserer Wirtschaft stark machen. Dass Land und EU hier gemeinsam investieren, ist nicht nur klug, sondern dringend notwendig. Denn Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Man muss sie ausbilden, begleiten und ihnen Perspektiven geben. Genau das tut dieses Programm – Tag für Tag, in jeder Region unseres Landes.