GEHEN UNS DIE LEHRER AUS?
Veröffentlicht am Februar 20, 2019
Sprechen wir von Fachkräftemangel, dann meinen wir in der Regel fehlende MINT-Fachkräfte in der Industrie und im Handwerk, in unseren Krankenhäusern und Seniorenheimen.
Ähnlich katastrophal aber ist die Situation an unseren Schulen. Überall fehlen uns die Lehrkräfte: grundsätzlich eigentlich, aber vor allem auch in unseren Grundschulen und in den MINT- und naturwissenschaftlichen Fächern. Lediglich die Gymnasien dürften weniger Probleme haben, ihre Stellen zu besetzen.
Laut Deutschem Lehrerverband fehlen fast 40 000 Pädagogen, Tausende Stellen mussten im Herbst notdürftig mit Seiteneinsteigern, Pensionären und Studenten besetzt werden.
Auch in NRW ist das Problem seit Jahren gravierend. NRW-Schulministerin Y. Gebauer hat deshalb ein Maßnahmenpaket verabschiedet. Beispiel Seiteneinsteiger: Lehrer für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen (Sek II) können sich auf eine Stelle an einer Schule der Sekundarstufe I bewerben und werden nach einer erfolgreichen Bewerbung sofort in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis übernommen. Doch hier belegt eine Studie der Bertelsmann Stiftung beispielhaft für Berliner Grundschulen, dass solche Seiteneinsteiger ausschließlich an sogenannten Brennpunktschulen eingesetzt werden. Das zeigt, dass auch innerhalb einer Schulform ausgerechnet jene Schüler am meisten vom Lehrermangel betroffen sind, die guten Unterricht besonders nötig hätten.
Was hat NRW-Schulministerin Gebauer noch vor? Es soll eine erweiterte Möglichkeiten zur Verbeamtung und es soll zusätzliche Stellen für Oberstufenlehrkräfte an Gesamtschulen geben. Künftig können sich auch Absolventinnen und Absolventen eines Masterstudiengangs an Fachhochschulen auf eine Lehrerstelle bewerben. Bisher ist für den Seiteneinstieg ein Universitätsabschluss erforderlich. Zudem sollen Pensionäre und Quereinsteiger aus der Wirtschaft gewonnen werden.
Viele Ideen, doch die wirklichen Impulse fehlen. Der Beruf des Lehrers müsste attraktiver gestaltet werden, dies fängt bei der Entlohnung an und hört bei der Organisation des Unterrichts auf.
Eine Entlastung des Lehrers sollte abseits vom Unterricht erfolgen. Nehmen wir als Beispiel die Studien- und Berufsorientierung. Selbstredend bin ich ein Verfechter für eine flächendeckende und fächerübergreifende „Berufliche Orientierung“. Bereits vor über zehn Jahren organisierten wir Teamtage in Düsseldorfer Schulen, um die Berufs- und Studienorientierung strukturiert in den Schulalltag zu implementierten. Vor über 20 Jahren bereits gründeten wir in Düsseldorf und Ostwestfalen-Lippe das Berufswahlsiegel (mittlerweile das größte deutsche Schulprojekt; www.netzwerk-berufswahlsiegel.de). Jede Lehrkraft sollte immer auch im Kopf haben ihre Schüler auf das Leben, auf die Berufswelt vorzubereiten.
Letztendlich aber sollten Lehrer auch unterrichten :-)). Insofern benötigen sie vor allem im Bereich der „Beruflichen Orientierung“ Unterstützung und Entlastung von außen. Der Trend geht aber in die andere Richtung. Vor allem in NRW wachsen die so genannten „Standardelemente“ in der Studien- und Berufsorientierung, das heißt: Berufliche Orientierung wird mehr und mehr zur Pflicht und weniger zur Kür. Pflichtelemente aber MÜSSEN von den Lehrern durchgeführt werden, was wiederum bedeutet, dass die Lehrkräfte auch an dieser Stelle immer mehr in die Pflicht eingebunden werden und weniger von außen entlastet und unterstützt werden können.
Ob diese Vorgehensweise letztendlich die Attraktivität des Lehrerberufs fördert muss an dieser Stelle angezweifelt werden. In der Süddeutschen Zeitung wird eine Lehrerin wie folgt zitiert: „Wir spüren den Lehrermangel schon länger, so richtig eng wurde es dann aber im vergangenen Frühjahr. Da sind innerhalb von vier Monaten vier Vollzeit-Lehrerinnen ausgefallen, durch Schwangerschaften mit sofortigem Arbeitsverbot. Plötzlich standen eine Inklusionsklasse, eine Abschlussklasse und zwei weitere Klassen ohne Klassenlehrerin da.“ Die Not an unseren Schulen ist groß. Pragmatische und praxisnahe Lösungen sind nun gefragt, denn am Ende geht es immer um unsere Kinder.