Studie: Schneckentempo! Digitalisierung an Schulen kommt zu langsam voran
Der Verband Bildung und Erziehung hat forsa damit beauftragt, eine repräsentativen Umfrage unter Schulleitungen an allgemeinbildenden Schulen durchzuführen und sie zur Digitalisierung an Schulen zu befragen. Es wurden Fragen zur Ausstattung der Schule, der Vorbereitung der Lehrkräfte und den Auswirkungen durch die EU-Datenschutzgrundverordnung gestellt. Einige der Fragen wurden in einer bundesweiten forsa-Umfrage unter Lehrkräften bereits 2014 erhoben. Im Vergleich zu diesen Werten gibt es durchaus Fortschritte zu vermelden, allerdings halten diese nicht Schritt mit der tatsächlichen Weiterentwicklung der Gesellschaft und Arbeitswelt. Es wurden von Januar bis März 2019 1.232 Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland befragt
„Wenn sich die Digitalisierung an Schulen in der gleichen Geschwindigkeit vollzieht wie in den letzten 5 Jahren, werden wir erst 2034 erreicht haben, dass es an allen Schulen einzelne Klassensätze an digitalen Endgeräten gibt. Damit führt sich die Politik selbst vor“, kommentiert der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, die Ergebnisse der vom VBE in Auftrag gegebenen forsa-Umfrage zur Digitalisierung an Schulen. Deshalb fordere der VBE von der Politik, endlich die entsprechenden Gelingensbedingungen bereitzustellen. Beckmann führt aus: „Um den an Schule gestellten Ansprüchen gerecht zu werden, braucht es endlich mehr als Sonntagsreden und einzelne Leuchtturmprojekte. Was in der Breite funktionieren soll, muss auch in der Bandbreite der Möglichkeiten der Schulen gefördert werden. Neben den Geldern des Bundes für den Digitalpakt braucht es dafür kräftige Investitionen der Länder und Kommunen.“
Zwar werden durch den Digitalpakt vom Bund innerhalb der nächsten 5 Jahre 5 Milliarden Euro investiert, der tatsächliche Bedarf liegt laut Studien jedoch deutlich höher. So errechnete unter anderem die Bertelsmann Stiftung, dass es jährlich 2,8 Milliarden Euro bedarf. Hierzu passt, dass die KfW in ihrem Kommunalpanel für 2018 insgesamt einen Investitionsstau an Schulen von 47,7 Milliarden Euro attestiert.
Die bundesweit repräsentative forsa-Umfrage unter 1.232 Schulleitungen allgemeinbildender Schulen wurde heute im Rahmen einer telefonischen Pressekonferenz vorgestellt. Weitere Stichproben gibt es für Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Es wurden Fragen zur Ausstattung der Schule, der Vorbereitung der Lehrkräfte und den Auswirkungen durch die EU-Datenschutzgrundverordnung gestellt. Einige der Fragen wurden in einer bundesweiten forsa-Umfrage unter Lehrkräften bereits 2014 erhoben. Im Vergleich zu diesen Werten gibt es durchaus Fortschritte zu vermelden, allerdings halten diese nicht Schritt mit der tatsächlichen Weiterentwicklung der Gesellschaft und Arbeitswelt. So sagt nur jede dritte Schulleitung, dass es in allen Klassen- und Fachräumen Zugang zum schnellen Internet und WLAN gibt.
Und ebenfalls nur jede dritte Schulleitung sagt, dass es mindestens einen Klassensatz an digitalen Endgeräten für die Schülerinnen und Schüler gibt. Zudem gibt es an einem Drittel der Schulen für keine Lehrkraft einen dienstlichen Computer und für ebenso viele keine dienstliche E-Mail-Adresse.
Die fehlende Ausstattung gleichen einige Lehrkräfte dadurch aus, dass sie die Methode „Bring your own device“ nutzen, wobei Schülerinnen und Schüler eigene digitale Endgeräte für den Unterricht einsetzen. Dies passiert an kaum einer Grundschule, jedem zweiten Gymnasium und jeder dritten anderen Sekundarschulform. Der VBE Bundesvorsitzende sagt dazu: „Wir verstehen das Bemühen der Lehrkräfte, trotz fehlender Infrastruktur Medienkompetenz zu vermitteln und im Unterricht neue Anreize durch die Erweiterung des Methodenmix mittels digitaler Medien zu setzen. Der VBE setzt sich aber für die Unabhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozio-ökonomischen Status der Eltern ein. Dies wird mit der Methode ‚Bring your own device‘ konterkariert. Wenn 70 Prozent der Schulleitungen sagen, dass einzelne Kinder kein Gerät haben und die Hälfte sagt, dass die Gefahr des Mobbings steigt, darf das nicht ignoriert werden. Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif. Die Politik ist für die Ausstattung der Schulen verantwortlich. Niemand sonst!“ Außerdem sehen es 63 Prozent der Schulleitungen als zu hohe Anforderung für Lehrkräfte an, auf unterschiedlichen Geräten unterschiedliche Systeme zu erklären.
Überhaupt ist die adäquate Vorbereitung der Lehrkräfte noch immer eine große Herausforderung. 72 Prozent der Lehrkräfte bilden sich privat fort, 65 Prozent konnten an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen und 58 Prozent haben sich mithilfe von anderen Lehrkräften die notwendigen Kenntnisse angeeignet. Der Bundesvorsitzende Beckmann macht deutlich: „Fortbildung ist kein Privatvergnügen. Wenn die Politik möchte, dass nicht nur Smartboards aufgehängt werden, sondern durch die Nutzung digitaler Endgeräte ein tatsächlicher pädagogischer Mehrwert entsteht, müssen in Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft tragfähige Konzepte erforscht werden. Dementsprechend müssen alle Lehrkräfte, innerhalb der Dienstzeit, an, von staatlicher Seite angebotenen und bezahlten, qualitativ hochwertigen und stetig evaluierten und optimierten Fortbildungen teilnehmen können.“
Zudem wurden die Schulleitungen danach befragt, wer sich an der Schule um die Wartung der IT-Ausstattung kümmere. An zwei von drei Schulen sind dies einzelne Lehrkräfte, was einem Rückgang um 10 Prozentpunkte im Vergleich zu 2014 entspricht. „Nicht nur im Kontext des Lehrermangels setzen wir uns dafür ein, dass Lehrkräfte von diesen Tätigkeiten entbunden und professionell dafür ausgebildete Personen damit betraut werden. Dies passiert nur an 59 Prozent der Schulen. Ein unhaltbarer Zustand“, sagt Udo Beckmann.
Mit Blick auf die EU-Datenschutzgrundverordnung geben über zwei Drittel der Schulleitungen an, dass sie bei der Umsetzung weitestgehend auf sich gestellt waren und dass durch die Umsetzung der Verordnung ihr Arbeitsaufwand langfristig gestiegen ist. Beckmann dazu: „Die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen. Neue Aufgaben bedürfen zusätzlicher Ressourcen oder klarer Ansagen, welche der bisherigen Aufgaben wegfallen oder anders organisiert werden können.
Quelle: VBE