Adolescence – Mehr als ein Krimi? Die verstörende Realität hinter der Netflix-Serie

Die Thriller-Miniserie „Adolescence“ hat es innerhalb kürzester Zeit an die Spitze der Netflix-Charts geschafft. Das Drama fesselt nicht nur durch seine packende Inszenierung, sondern auch durch die brisante Thematik: Ein 13-jähriger Junge wird des Mordes an einer Mitschülerin beschuldigt. Die Serie basiert auf einer fiktiven Geschichten und wirft ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten der Jugendkultur, insbesondere auf das Phänomen der Incels und die subtilen Kommunikationscodes, die in digitalen und sozialen Räumen verwendet werden.

Was ist ein Incel?

Der Begriff Incel im Film und in der Realität steht für „involuntary celibate“, also unfreiwillig zölibatär lebend. Er bezeichnet vor allem männliche Personen, die sich als Opfer einer Gesellschaft sehen, die ihnen romantische und sexuelle Beziehungen verwehrt. Besonders problematisch ist, dass sich Teile dieser Community online radikalisieren und Frauenhass sowie Gewalt propagieren. Die Serie greift diese Thematik auf und verknüpft sie mit den Dynamiken von Mobbing und sozialer Isolation.

In den vergangenen Jahren hat die Incel-Bewegung durch mehrere Gewalttaten internationale Aufmerksamkeit erregt. Ein bekanntes Beispiel ist der Amoklauf in Isla Vista im Jahr 2014, bei dem sechs Menschen getötet wurden. Der Täter identifizierte sich selbst als Incel und hinterließ ein Manifest, in dem er seinen Hass auf Frauen und sexuell aktive Männer zum Ausdruck brachte.

Die Incel-Subkultur wird der sogenannten „Manosphere“ zugerechnet, einem Netzwerk von Online-Communitys, die sich mit Themen rund um Männlichkeit beschäftigen und oft antifeministische Positionen vertreten. Innerhalb dieser Gruppen werden häufig toxische Männlichkeitsideale propagiert und Frauen als Ursache für die eigenen Probleme angesehen.

Es ist aber auch wichtig zu betonen, dass nicht alle Personen, die sich als Incels identifizieren, gewalttätig sind oder extreme Ansichten vertreten. Dennoch gibt es innerhalb dieser Community besorgniserregende Tendenzen, die zu Radikalisierung und Gewalt führen können.

Die Rolle der Emojis in der filmischen Erzählweise

Ein bemerkenswerter Aspekt der Serie ist die Art und Weise, wie Emojis als versteckte Botschaften genutzt werden. Statt expliziter Worte hinterlässt die ermordete Mitschülerin eine Nachricht, deren Bedeutung nur für einen bestimmten Insiderkreis erkennbar ist. Emojis werden hier als Code eingesetzt, um Jamie als Incel zu brandmarken.

Mögliche alternative Bedeutungen von Emojis:

  • 😂 (Lachendes Gesicht mit Freudentränen): Nicht nur Ausdruck von Heiterkeit, sondern auch Nervosität und der Versuch, belastende Situationen zu kaschieren.
  • 🤔 (Nachdenkliches Gesicht): Kann auch für die Suche nach Identität und das Hinterfragen der eigenen Gefühle stehen.
  • 😍 (Verliebtes Gesicht mit Herzaugen): Symbolisiert nicht nur Verliebtheit, sondern kann auch die verzerrte Idealvorstellung von Beziehungen betonen.
  • 🙃 (Umgedrehtes Gesicht): Drückt widersprüchliche Emotionen aus – eine Mischung aus Verwirrung, Ironie und Aufruhr.
  • 😶 (Sprachloses Gesicht): Kann für innere Leere und das Unvermögen, Emotionen auszudrücken, stehen.

Diese Beispiele (subjektive Bewertungen des Autors) verdeutlichen vielleicht, dass nonverbale Kommunikation in digitalen Räumen tiefere Bedeutungen haben kann und oft nur von Eingeweihten verstanden wird.

Subtiler Code: Emojis als Stigmatisierung

Die Serie zeigt eindrucksvoll, wie Emojis genutzt werden können, um jemanden innerhalb einer Gruppe auszugrenzen oder negativ darzustellen. Die Ermittler in der Serie erkennen die wahre Bedeutung der Nachricht erst spät, was verdeutlicht, dass jugendliche Online-Subkulturen oft eigene, verschlüsselte Ausdrucksweisen entwickeln.

Die gesellschaftlichen und psychologischen Implikationen

„Adolescence“ verdeutlicht, wie tief verwurzelt toxische Männlichkeit und Mobbing in digitalen und analogen Räumen sind. Der Protagonist Jamie wird von seinen Mitschülern zunehmend isoliert und durch digitale Codes stigmatisiert. Seine Reaktion auf die Provokation durch Katie (die ihn als Incel „outet“) eskaliert in einem Mord – ein erschreckendes Beispiel dafür, wie soziale Isolation, Frustration und digitale Dynamiken ein gefährliches Zusammenspiel bilden können.

Ein Blick in die Realität: Wie nah ist „Adolescence“ an echten Fällen?

Auch wenn die Serie fiktiv ist, erinnert sie an reale Tragödien. Erst vor einigen Monaten wurde bekannt, dass eine Schülerin in der Nähe von Düsseldorf Suizid beging – mutmaßlich aufgrund von Mobbing in sozialen Medien. Die Kombination aus öffentlicher Bloßstellung, sozialer Ausgrenzung und psychischer Instabilität kann fatale Folgen haben.

Im Film gibt es ein vermutlich fiktives Beispiel bezüglich der unterschiedlichen Farben der Emoji-Herzen. Wer hat sich über diese Vielfalt nicht schon gewundert? Wie real könnte dieses Beispiel sein, habe ich mich gefragt? Farben können sicherlich in bestimmten Kontexten auch als Code im Mobbing verwendet werden. In Online- und Jugendkulturen können Farben – zum Beispiel die von Herz-Emojis – symbolisch genutzt werden, um Zugehörigkeiten zu markieren oder auch jemanden auszuschließen. Beispielsweise könnte ein bestimmtes farbiges Herz in einer Gruppe eine abwertende oder stigmatisierende Bedeutung erhalten, wenn es als Zeichen dafür etabliert wird, dass jemand “anders” oder unerwünscht ist. Solche Farbkodierungen können also Teil von Mobbingstrategien sein, indem sie auf subtile Weise Gruppenzugehörigkeiten oder Ausgrenzungen signalisieren.

Allerdings hängt die Interpretation stark vom jeweiligen sozialen und kulturellen Kontext ab – es gibt keine universelle Bedeutung, sondern immer nur eine Bedeutung, die von der spezifischen Gruppe und deren internen Kommunikationscodes geprägt ist. Stichprobenartig habe ich mir bekannte Schülerinnen und Schüler in Düsseldorf dazu über meinen WhatsApp-Account befragt – und alle haben mir gesagt, dass sie so etwas nicht kennen würden. Der Film sei halt fiktiv, keine Realität.

Fazit: Warum „Adolescence“ ein wichtiger Beitrag zur Bildungsdebatte ist

Diese Serie geht weit über klassische Krimi-Dramen hinaus. Sie öffnet die Diskussion über die Auswirkungen digitaler Kultur, den Einfluss toxischer Online-Communitys und die gefährliche Stigmatisierung durch scheinbar harmlose Kommunikationsmittel wie Emojis. „Adolescence“ zeigt eindrucksvoll, dass Bildung nicht nur in Schulbüchern stattfindet – sondern auch in der Art, wie wir digitale Sprache verstehen und interpretieren.

Für Schulen, Eltern und Fachkräfte kann die Serie ein Anlass sein, sich intensiver mit den Themen Mobbing, digitale Gewalt und psychische Gesundheit auseinanderzusetzen. Denn nur wer vielleicht die Codes versteht, kann helfen, Eskalationen zu verhindern.