Die Lehrstelle bleibt leer: Unternehmen kämpfen mit der Azubi-Krise
Deutschland steht vor einer Herausforderung, die tief ins Herz seiner Wirtschaftsstruktur reicht: Die duale Berufsausbildung – einst das Erfolgsmodell zur Fachkräftesicherung – gerät zunehmend unter Druck. Die Zahlen sind alarmierend: Im vergangenen Jahr blieben laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) rund 260.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Das sind über ein Drittel aller Lehrstellen. Die Ursachen sind vielfältig – und sie sind hausgemacht wie auch strukturell bedingt.
Jugend ohne Ausbildung: Warum viele junge Menschen nicht mehr einsteigen
Der demografische Wandel sorgt dafür, dass es weniger Schulabgänger gibt. Gleichzeitig zieht es immer mehr junge Menschen an die Hochschulen: Während im Jahr 2000 nur rund ein Drittel eines Jahrgangs studierte, waren es 2023 bereits fast 57 Prozent. Und wer kein Abitur hat, entscheidet sich laut einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung häufig lieber für eine ungelernten Job als für eine Ausbildung.

So viel Prozent der Unternehmen, die aktuell ausbilden oder dies in den vergangenen fünf Jahren getan haben, halten diese Aspekte für eine exzellente und innovative Berufsausbildung für relevant
Qualität braucht Qualifikation – aber nicht unbedingt das Abitur
Ein überraschender Befund: Knapp 90 Prozent der Unternehmen sagen, dass die Qualifikation der Bewerber entscheidend für eine hochwertige Ausbildung sei – dabei erwarten sie nicht zwangsläufig einen höheren Schulabschluss. Vor allem Ausbildungsplätze, die speziell für Hauptschüler gedacht sind, bleiben häufig leer. Das Problem ist also nicht nur der Schulabschluss, sondern oft die fehlende Passung zwischen den Anforderungen und den tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber.
Fördern statt fordern: Betriebe investieren in schwächere Azubis
Die Wirtschaft stellt sich um – notgedrungen. Sieben von zehn Unternehmen bieten laut IW-Forschung bereits Förderunterricht für leistungsschwächere Azubis an. Denn der Trend zeigt: Um ihre Ausbildungsplätze überhaupt besetzen zu können, greifen viele Betriebe auch auf weniger leistungsstarke Jugendliche zurück – und müssen diese intensiver betreuen.
Doch die Belastungsgrenze ist erreicht: Etwa die Hälfte dieser Unternehmen wünscht sich mehr externe Unterstützung. Idealerweise, so die IW-Studie, beginnt die gezielte Förderung bereits vor Ausbildungsbeginn und reicht bis zum erfolgreichen Abschluss.

So viel Prozent der Unternehmen, die aktuell ausbilden oder dies in den vergangenen fünf Jahren getan haben, stimmen diesen Aussagen zu den Aktivitäten ihrer betrieblichen Ausbilder zu
Mehr Perspektive, mehr Motivation: So werben Ausbilder um Azubis
Es geht längst nicht mehr nur darum, Auszubildende zu finden – es geht auch darum, sie zu halten. Acht von zehn Unternehmen setzen deshalb auf aktives Selbstmarketing: Sie zeigen ihren Azubis klare Entwicklungs- und Karriereperspektiven auf. Denn ein sicherer Arbeitsplatz und Aufstiegsmöglichkeiten sind für Jugendliche oft genauso entscheidend wie der Inhalt der Ausbildung selbst.
Gleichzeitig investieren viele Betriebe in die Qualifikation ihrer Ausbilder und setzen auf innovative Ausbildungskonzepte – ein wichtiger Hebel, um die Qualität der Ausbildung zu sichern.
Fazit: Die Ausbildung muss wieder attraktiv werden – für beide Seiten
Was bleibt, ist ein klarer Auftrag: Die duale Ausbildung muss neu gedacht und modernisiert werden. Politik, Schulen und Wirtschaft müssen zusammenarbeiten, um junge Menschen wieder für eine Ausbildung zu begeistern. Das bedeutet:
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Mehr Berufsorientierung an Schulen
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Gezielte Förderung vor und während der Ausbildung
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Stärkere Unterstützung leistungsschwächerer Jugendlicher
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Attraktive Entwicklungsperspektiven im Betrieb
Denn nur wenn Ausbildung wieder als echte Chance gesehen wird – von Jugendlichen wie von Unternehmen – kann das deutsche Erfolgsmodell der dualen Ausbildung gerettet werden.