Wie digital sollte „Schule“ sein?
„Dass Schüler und Lehrer sich gegenwärtig nur dann digital vernetzen können, wenn sich ein Förderverein, ein Landrat oder eine Schulsenatorin für eine zeitgemäße IT-Infrastruktur eingesetzt haben, wirft dunkle Schatten auf die „Bildungsrepublik Deutschland“. Die Lehrkräfte müssen die Lernplattformen aus den Nullerjahren ebenso als Ausdruck fehlender Wertschätzung begreifen wie die Generation der „Digital Natives“. Insofern ist es erfreulich, dass die Zeiten des „Corona-Lernens“ das E-Learning insgesamt beschleunigen.“, schrieb unlängst Tim Engartner, Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Uni Frankfurt und dort Direktor der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung, in. der Frankfurter Rundschau (FR).
Diese Meinung ist aber nur die EINE Wahrheit. Es stimmt, das Corona auf die Mängel im Schulsystem aufmerksam gemacht hat. Es stimmt aber auch, dass das E-Learning durch die Corona-Krise beschleunigt. wird Alte Modelle wie Moodle werden neugelebt, andere Plattformen wie Iserv und lo-net werden aktiviert. Und: Es gibt Lehrkräfte, die probieren sich aus, entwickeln und nutzen neue Online-Lernmethoden (z.B. Padlet) und treffen sich mit den Kids auf zoom. Und es gibt Lehrkräfte, die sich echt schwer tun mit dem digitalen Lernen. Aber, woher sollen sie es auch sollen? Gefördert wurde dieses neue Denken vor Corona nicht.
Erst seit Corona gibt es dieses digitale Lernen und die Zeiten von Präsenz- und Distanzlernen wird es noch lange geben. Was also tun? Erst einmal müssen die versprochenen 5,5 Milliarden vom Digitalpakt in den einzelnen Schulen ankommen. Viele Schulleiter*innen belächeln solche Meldungen über einen möglichen Geldsegen. Auf der anderen Seite werden aber andere Probleme dadurch nicht gelöst: es fehlt Personal und es fehlt Geld für Infrastruktur. „2025 werden allein an Grundschulen hierzulande mindestens 15 000 Lehrkräfte fehlen. Und schon jetzt sind die Betreuungsschlüssel an allen Schulformen ausbaufähig – erst recht, wenn man sich an erfolgreichen Bildungsnationen wie Finnland oder Schweden orientiert. Während die Stadtstaaten Berlin und Hamburg im Schnitt jeweils 10.000 Euro pro Schüler ausgeben, sind es in NRW nur 6800 Euro.“, heißt es in der FR.
Mir stellt sich aber auch eine ganz andere Frage: Wie digital muss Schule eigentlich sein? Wir haben unsere Berufliche Orientierung schnell und effektiv auf Distanzlernen umgestellt, so dass wir beide Bereiche gut beherrschen, also Distanzlernen und Präsenzphasen in den Schulen und an externen Lernorten. Dabei merken wir in der Zusammenarbeit mit den Schulen, dass viele Schüler*innen kaum erreichbar sind durch digitale Lernangebote. Eine Lehrerin eines Gymnasiums nahe Mönchengladbach berichtete mir, wenn sie ein zoom-Meeting anbieten würde, wären von 30 Schüler*innen knapp 10 dabei. Und in den Schulen, in denen es viele „Hartz 4- Kinder“ gibt, sieht die Quote noch schlechter aus: viele Haushalte haben keinen Computer und das Jobcenter finanziert auch keinen PC zuhause für die Kids. Hier müsste also (theoretisch) die Schule dafür Sorgen, dass diese Kids entsprechend versorgt sind. Auch dies belächeln die Schulleiter*innen. Aber, vielleicht kommen die 5,5 Milliarden ja doch noch an?!
Klar wird uns aber auch, dass Präsenzlernen oftmals effektiver ist. Dies berichten uns die Lehrer*innen. Und wir spüren dies auch bei unseren Angeboten der Beruflichen Orientierung. Eine Lerngruppe zieht alle Teilnehmer*innen indirekt und direkt mit und „durch“. Zuhause alleine zu lernen oder sich mit der Arbeits- und Berufswelt zu beschäftigen erfordert sehr viel Selbstmotivation und Selbstmanagement. Ganz zu schweigen vom „lernen zu lernen“ – das haben viele Schüler*innen bis heute nicht gelernt.
Tim Engartner schließt mit den Worten: „Zugleich sollte die Tatsache, dass vielen Schülerinnen und Schülern durch das derzeitige Homeschooling der Zugang zu einer warmen Mahlzeit, zu einem gewaltfreien Lernumfeld sowie zu vertrauten Kontaktpersonen genommen wurde, Anlass sein, unser Schulsystem bildungs-, sozial- und steuerpolitisch zu reformieren.“
Es gibt also viel zu tun ….